moin,
ich wollte hier mal einen kleinen teil meiner erfahrungen mit der jugendpsychiatrie in der universitätsklinik eppendorf in hamburg loswerden, auch wenn es schon lange her ist. vielleicht hilft es ja jemanden.
ich bin damals mit 15 jahren von meinen eltern eingewiesen worden. der erste eindruck der station war: sehr karg, sehr ungemütlich. die betreuer waren aber freundlich, die therapeuten auch. ich fand schnell kontakt zu den anderen jugendlichen.
die station hat 16 betten in zwei-bett-zimmern. zimmerpartner usw kann man sich nicht aussuchen, -tausch nur bei krassen ausnahmen möglich.
es gibt einen raucherraum, einen aufenthaltsraum wo gegessen wird und auch fernseher und sofas stehen, einen kunstraum (abgeschlossen), einen gruppensitzungsraum (abgeschlossen). es gibt duschen und badewannen, nicht schön, aber in einem okayen zustand. waschmaschine ist auch vorhanden und kann auf anmeldung benutzt werden. ausserdem gibt es ein telefon, dass abends für AN!rufe freigeschaltet ist und ein münztelefon. es herrscht handyverbot auf der station, an das sich niemand hält. ;)
der tagesablauf sieht in etwa so aus:
jeden morgen wird man um 7 uhr geweckt, dann ist frühstück, welches freiwillig ist (ausser vielleicht für essstörungspatienten), dann ist zwischen 8.00 und 8.10 morgenrunde, wo man filmabende, waschmaschinenbenutzung und längeren ausgang beantragen kann. danach folgen gruppen- und therapieangebote.
therapieangebote:
kunsttherapie, musiktherapie, bewegungstherapie, psychodrama, gesprächstherapie, verhaltenstherapie, familientherapie
gruppenangebote: aussengruppe, mädchengruppe, kochgruppe
es gab eine schule (anderes gebäude) und abend- und wochenendrunden. man musste zu den mahlzeiten zumindest auf der station anwesend sein, ausser man beantragte längen ausgang. das essen war scheiße!
die station war bunt gemixt mit vielen jungen leuten und vielen verschiedenen psycho-probleme. wir hatten essgestörte (magersucht und bulimie), borderliner, depressive, angstgestörte, persönlichkeitsstörungen, psychosen und und und. alles war vertreten, was das individuelle eingehen auf die patienten schwierig machte. es wurden viele medikamente verabreicht, zu wenig über diese aufgeklärt und sogar richtige medi-mixe gegeben. es war: schlimm!
es gab nur einen ausgebildeten erzieher unter den betreuern, ansonsten wurden da nur krankenpfleger und -schwestern auf die jungen leute losgelassen, die meiner meinung nach absolut unzulänglich ausgebildet waren um mit den komplexen anforderungen, die so eine station mit sich bringt, professionell umzugehen.
ich fühlte mich damals sehr meiner eigenverantwortung beraubt, nicht ernstgenommen und machtspielchen einiger betreuer regelrecht "ausgeliefert"
beispiel: eines tages kam eine betreuerin in den raucherraum und fing aus heiterem himmel an mich zu beschuldigen, ich würde die anderen jugendlichen aufhetzen und verschwand so plötzlich wie sie gekommen war. zwei andere mädchen, die dem spektakel beiwohnen durften und ich schauten uns mit großen augen an. kurz darauf kam die betreuerin wieder mit der ansage "du gehst jetzt mal zwei stunden raus und überlegst warum du nichts anderes hast als diese station!"
ich war geschockt! schon alleine diese bemerkung ich hätte nichts anderes als die station! ausserdem konnte ich doch zu der zeit die station nicht ohne begleitung verlassen, panikattacken waren vorprogrammiert. die anderen beiden mädchen sagten sofort das sie mitkommen und sofort hagelten ausgangssperren für die zwei. die betreuerin nahm mich an den arm und bevor ich mich versah, saß ich vor der tür, die hinter mir verschlossen wurde. da saß ich also nun mitm rücken an der tür und schob panik. gott sei dank kam irgendwann eine andere betreuerin zur übergabe und sammelte mich auf. über den vorfall wurde nie gesprochen.
anderes beispiel: es wurde eine dokumentation vom einem recht populären sender gedreht. vier wochen lang. wir jugendlichen bekamen eine "einverständniserklärung" in die hand gedrückt, ob man unsere gesichter im TV zeigen darf (schon sehr fragwürdig bei einer psychiatrie voller jugendlicher... wie sollen die verdammt noch mal absehen, was das für folgen haben kann). ich kreuzte "NEIN" an, dennoch folgte mir die kamera, dennoch flimmerte ein jahr später mein gesicht über deutschlands fernseher. danke!
klar hätte ich klagen können, aber ich war 17! als die doku ausgetrahlt wurde, lebte in einem 150 seelen-dorf und hatte keinerlei kontakt zu meinen eltern.
ausserdem wurde mir einmal netterweise von betreuern und theras gesagt das wort "gesund" könne ich mir abschminken, ich bräuchte mindesten 5 jahre stationäre therapie und mein leben lang ambulant. nicht schön sowas mit 15 jahren zu hören.
soweit so gut... ich habe zig solcher beispiele, was auf die inkompetenz der mitarbeiter und leitung des ladens hindeutet, von den selbstmord den ich miterlebte ganz zu schweigen.
ich war ein jahr und drei monate auf dieser station. viel zu lange!
trotzdem hat mir der kontakt zu den anderen jugendlichen wahnsinnig geholfen und mich sehr geprägt. ich weise auch nochmal auf meine rein subjektive darstellung hin. natürlich kann es sein das die station von anderen anders erlebt wurde, aber nach meinem aufenthalt stand ich erstmal dem wort "therapie" extrem! skeptisch gegenüber und es hat jahre gedauert, dieses misstrauen zu überbrücken.
vielleicht hilft dieser erfahrungsbericht einen von euch, der jemanden kennt, der jemanden kennt oder einem googler weiter ;)
1 Kommentar
Oh ja, Herr Mundt ist wahrlich immer noch ein wirklicher toller Gesprächspartner!