Ich war von Ende Mai bis Anfang Juli 2009 zu einer 6-wöchigen Auffrischungstherapie auf Station 6 der Psychiatrie. Auf dieser Station werden hauptsächlich Zwangserkrankungen behandelt. Ich selbst leide seit 27 Jahren, seit meinem 14. Lebensjahr, an Zwängen. Mehrere Therapieanläufe scheiterten, bis ich im Jahr 1999 via Internet auf die 'Deutsche Gesellschaft für Zwangserkrankungen' stieß und diese mir die Uniklinik Freiburg als auf Zwänge spezialisierte Klinik empfahl. Ich musste damals ca. 2 Monate auf ein Vorgespräch warten, wurde aber sofort im Anschluss aufgenommen, da es mir damals sehr schlecht ging. Mein Aufenthalt dauerte 4 Monate und wir waren wegen Umbauten provisorisch in einem Teil des Schwesternwohnheims untergebracht: 12 Patienten in 2-Bett-Zimmern mit insgesamt 2 Toiletten, einer Dusche und einer Badewanne auf dem Flur. Das klingt nicht gut, besonders für Zwängler, aber es war gut! Wie eine große WG. Und das was zählte, nämlich die kompetente Behandlung, sowohl durch Ärzte und Psychologen, als auch durch das Pflegepersonal, war aufeinander abgestimmt und in meinen Augen perfekt. Anfangs war ich skeptisch, was die medikamentöse Behandlung betrifft, aber ich ließ mich darauf ein- mit Erfolg. Mein Vorurteil, Psychopharmaka würden einen nicht mehr Herr seiner selbst sein lassen, wurden nicht bestätigt. Aber neben der medikamentösen Behandlung waren Expositionen der wesentliche Teil der Therapie. Und ich selbst konnte bestimmen, welche Expos ich durchführen wollte, indem ich eine Zwangshierarchie erstellte. Ich musste mich hierbei den zwangsauslösenden Situationen stellen und diese aushalten, ohne dem aufkommenden Zwang nachzugeben. Die Anspannung auszuhalten, ohne zu agieren, war die reinste Hölle, aber die Anspannung löste sich- irgendwann. Dann galt es, immer wieder derartige Situationen zu üben. Damals wurde ich außerdem wegen einer Anorexie behandelt, mit Erfolg! Aus dieser Therapie ging ich sehr gestärkt hervor.
Drei Jahre später machte ich erneut eine Therapie in Freiburg, da mir das Handwerkszeug im Umgang mit den Zwangshandlungen abhanden gekommen schien. Auch dieser 4-wöchige Aufenthalt stärkte mich zusehends, die Zwänge waren Nebensache.
Ende 2006 ging es mir wieder sehr schlecht. Auslöser war die Geburt meines dritten Kindes. Eine Therapie in Freiburg war nicht möglich, da die Uniklinik nicht über eine Mutter- Kind- Einheit verfügte und ich mein Baby bei mir haben wollte, zumal ich auch noch stillte. Die Alternative war die Uniklinik Heidelberg. Doch der 4-monatige Aufenthalt mit meinem Kleinen brachte nicht die geringste Besserung- ich war auf einer Depressionsstation.
Wiederum zwei Jahre später versuchte ich erneut, einen Platz auf Station 6 in Freiburg zu bekommen, diesmal ohne Kind, das ich glücklicherweise beim Papa unterbringen konnte. Über drei Monate zogen ins Land, bis ich aufgenommen wurde. Mit dem Psychologen vereinbarte ich im Vorhinein eine Therapiedauer von 6 Wochen, da es sich um eine Auffrischung handelte. Dieses Mal waren die Zwängler wieder im Hauptgebäude untergebracht, dessen Räumlichkeiten wesentlich größer, komfortabler und moderner waren, jedoch auch eher die Krankenhausatmosphäre zur Geltung brachten. Gemütlicher war es allemal im Schwesternwohnheim. Allerdings spielt die Umgebung für mich eine nebensächliche untergeordenete Rolle, genauso das Essen, über das ich mich jedoch nicht beklagen kann. Schließlich handelt es sich um eine Klinik und nicht um ein Sterne- Restaurant.
Das Wichtigste, mit Unterstützung gegen den Zwang vorzugehen, ist meiner Ansicht nach vollstens erfüllt und ich muss sagen, dass auch diese dritte stationäre Therapie in Freiburg für mich absolut hilfreich war und ich bis dato recht stabil bin. Es gibt natürlich immer wieder Situationen, die den Zwang begünstigen, aber Rückfälle gehören dazu. Dann ist es allerdings wichtig, nicht in Regression zu fallen, sondern weiter zu machen und nach vorne zu blicken und immer wieder Übungen durchzuführen, so wie man es gelernt hat.
Als Fazit ist zu sagen, dass ich Station 6 der Psychiatrie jedem weiter empfehlen kann. Der leitende Oberarzt Prof. Dr. Voderholzer sollte für jeden Arzt ein Vorbild darstellen: Er kennt seine Patienten, achtet sie und ist Mensch! Das empfinde ich als sehr wichtigen Faktor in einer Psychiatrie.
Weiter ist zu sagen, dass auch die verschiedenen Ergotherapieangebote, sowie die Unterstützung durch den Sozialdienst zu einem ganzheitlichen Therapieerfolg geführt haben, das gesamte Personal natürlich mit einbezogen.
Ein ganz wesentllicher Faktor während eines stationären Aufenthaltes sind auch die Mitpatienten. Es entwickeln sich Gespräche, die man im 'normalen' Leben selbst mit guten Freunden nicht führen würde. Man ist gleichgesinnt und darüber kann man auch manchmal herzlich lachen. Ich hab selten so viel gelacht wie in der Psychiatrie! Über Zwänge!
Ganz zwangfrei werde ich wohl nie sein, zu lange ist der Zwang schon in meinem Leben. Aber ein lebenswertes Leben zu führen, das nicht voll und ganz vom Zwang beherrscht ist, das habe ich zum jetzigen Zeitpunkt erreicht. Ich würde mich als glücklichen Menschen bezeichnen.
Wenn der Zwang irgendwann mal wieder meint, er müsse über mich kommen und die Macht an sich reißen, so weiß ich ganz sicher um meine Anlaufstation in Freiburg.
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