Ich war für 3 Wochen für eine Anschlussheilbehandlung in der
Bayerwaldklinik.
Mein Gesamtfazit ist, dass ich die Klinik nicht empfehlen würde.
Ganz besonders gilt das für jüngere Patienten,
wozu ich mal ganz großzügig alles unter 50
zähle. Denn die meisten Patienten hier sind (weit) jenseits der 60, was der ganzen Klinik eher die Atmosphäre eines Altenheims gibt.
Auch das ganze Ambiente des Hauses ist alles andere als modern. Das ganze Haus ist mit Teppichboden ausgelegt, der vermutlich seit dem Bau nie gewechselt wurde und entsprechend muffig riecht. Die Einrichtung: Eiche rustikal aus den Siebzigern, mich erinnert es an alte, ungemütliche Pfarrsäle, mit diesen leider auf ewig unkaputtbaren Polsterstühlen.
Die Lage ist aber ideal für Erholungssuchende: Sehr ruhig am Waldrand, mit Wanderwegen vor der Haustür und Vogelgezwitscher.
Das Freizeitangebot ist nicht besonders reichhaltig und ebenfalls auf das ältere Publikum abgestimmt (Busausflüge am Samstag, Bingo spielen, Volkslieder singen, aber zumindest auch ein wenig Chi Gong, Yoga und Meditation).
Immerhin gibt es am Nachmittag einen täglichen Busshuttle
nach Cham. Das ist zwar nicht gerade eine Weltstadt, aber doch eine nette Abwechslung, und der Hausmeister, der den Bus fährt, ist sehr hilfsbereit und macht bei Bedarf auch mal einen kleinen Schlenker.
Im Freien gibt es einen Minigolfplatz, der aber während meines Aufenthaltes trotz anhaltend schönen Wetters nie gepflegt und daher auch nie genutzt wurde. Die im Prospekt gezeigten Großfiguren des Freiluftschachs habe ich ebenfalls nie zu Gesicht bekommen. Das Schwimmbad war ebenso wie das Therapiebecken bis auf weiteres zur
Wartung geschlossen (und hat übrigens keinen Zugang für Personen, die keine Treppen steigen können).
Immerhin hat man zweimal pro Woche die Möglichkeit, sich ohne Mehrkosten ins öffentliche Hallenbad bringen zu lassen. Dort hat man allerdings nur 1,5 Stunden Zeit - incl. Umziehen.
Die Zimmer sind offenbar sehr unterschiedlich. Von großen Zimmern mit Südbalkon, dafür mit nicht beheizbarem Bad, bis sehr kleine Zimmer und Zimmer ohne Balkon gibt es wohl alles.
Auf dem Zimmer hat man einen kostenlosen Fernseher.
Man kann man sich für 1 EUR pro Tag Telefon legen lassen,
allerdings sind die Gebühren mit 10 c pro Minute hoch, und nach 22 Uhr kann man nicht mehr angerufen werden. Man kann sich auch einen Internetanschluss aufs Zimmer legen lassen, wenn man ein Notebook mit internem Modem dabei hat. Die Verbindung kostet 3 c pro Minute. Es gibt auch ein öffentliches Internetcafé im Haus, die Nutzung des dortigen PCs ist kostenlos und dort gibt es DSL und einen Drucker.
Partner können auf Wunsch ebenfalls im selben Zimmer in der Klinik bleiben, das kostet 27 EUR für Übernachtung mit Frühstück, und ca. 40 EUR pro Nacht, wenn man Vollpension wählt. Kinder ab 12 zahlen leider schon den Erwachsenenpreis, Übernachtung in einem Extrazimmer ist noch teurer.
Das Essen ist im Großen und Ganzen recht gut. Es gibt täglich 3 verschiedene Gerichte: Vollkost, leichte Vollkost, und vegetarisch.
Allerdings, und hier ist der Haken, man kann nicht wählen! Zu Anfang wird man vom Stationsarzt auf eine der Kostarten festgelegt, und diese hat man dann durchgehend. Wenn man also alles essen darf, wird man auf Vollkost gesetzt, und dann kann man nicht sagen, dass man auch mal vegetarisch oder leicht essen möchte (außer man isst IMMER
vegetarisch).
Originell ist, dass gerade die "Vollkost" fast ausschließlich aus
deftigen, schweren Speisen besteht und vor allem: fast
täglich Fleisch. Da isst man also heute Schweinebraten, morgen Krautwickel und übermorgen Bohneneintopf mit Rauchfleisch usw. Und das in einer Reha-Klinik. Daher ein Tip: Noch vor dem Aufnahmegespräch beim Stationsarzt einen Blick in die Speisekarte werfen und schauen, welche Kostform einem am meisten zusagt. Dann kann man den Stationsarzt bitten, dass er einem diese Kostform zuteilt (natürlich bekommen z.B. übergewichtige Herzpatienten eh keine Vollkost).
Originell ist außerdem, dass ausschließlich die Patienten, die
"leichte Vollkost" haben (was ebenfalls fast täglich Fleisch - dann aber meist Geflügel - oder Fisch bedeutet), an Dienstagen und Donnerstagen wählen
dürfen, ob sie vegetarisch essen möchten. Die normalen Vollköstler dürfen das nicht, die sind die ganze Woche gezwungen, bei ihrem Trumm Fleisch zu bleiben.
Allerdings weicht diese strikte Regelung offenbar etwas auf. Es gibt hier immer mal eine Veranstaltung, bei der alle Patienten Lob und Kritik anbringen dürfen. Nachdem bei dieser Gelegenheit angesprochen wurde, dass man mehr wählen können sollte, wurde das hie und da tatsächlich ein wenig geändert, und es wurde offenbar auch die "Wahlkost" eingefuehrt. Da ich aber nicht weiß, ob diese
Verbesserung von Dauer sein wird, habe ich es hier trotzdem erwähnt.
Positiv erwähnt sei bei der Gelegenheit auch, dass die bei dieser Veranstaltung ausgesprochenen Kritikpunkte offenbar tatsächlich gehört und nach Möglichkeit auch umgesetzt werden.
Abends gibt es ein kaltes Buffet, das von der Vielfalt her nicht
gerade der Renner ist, aber sie geben sich immerhin Mühe, öfter mal irgendeine Neuigkeit zu präsentieren.
Dazu gibt es Wasser, Tee oder Buttermilch; wenn man etwas
anderes trinken will, muss man es aus dem Automaten ziehen. Morgens gibt es ausserdem auch ein mit Süßstoff gesüßtes Fruchtsaftgetränk.
Dass Süßstoffe krebsfördernd sind (es gibt hier eine onkologische Abteilung) und durch die appetitanregende Wirkung Übergewicht fördern (viele der Herzpatienten hier haben Übergewicht) ist offenbar hierher noch nicht durchgedrungen.
Die Servicemitarbeiterinnen sind allerdings sehr nett; wenn man z.B. eine bestimmte Speise nicht mag, kann man auch rechtzeitig um etwas anderes bitten. Man kann auch regelmäßig was extra bekommen, wenn man das vorher mit der Diätassistentin besprochen hat und es die Gesundung nicht behindert. Denn das Abendessen
ist schon um 17 Uhr - wohl wieder abgestimmt auf die 90 % älteren Herrschaften und auf das Personal, das früher nach Hause möchte - was in der Regel bedeutet, dass man im Laufe des Abends
irgendwann Hunger bekommt. Man darf sich aber vom Abendessen (das aus
kaltem Buffet mit nicht großartiger Auswahl besteht) etwas mit aufs Zimmer nehmen.
Die Schwestern und die Therapeuten sind zum Großteil ebenfalls sehr nett, und besonders die Therapeuten (Krankengymnasten usw.) geben sich Mühe. Von denen habe ich weit mehr und hilfreichere Info ueber den Umgang mit meinen Problemen bekommen als von den Ärzten.
Die Organisation könnte allerdings besser sein. So sitzt morgens vor dem Schwesternzimmer immer eine lange Schlange von Leuten, die noch vor dem Frühstück zum Wiegen, Blutabnehmen usw. müssen. Das führt manches Mal dazu, dass man kaum noch Zeit zum Frühstücken hat.
Auch die Terminierung der Visiten ist z.T. miserabel, und manche Ärzte geben sich nicht die geringste Mühe, die Termine einzuhalten.
Terminiert wird manchmal im 5-Minuten-Takt, aber ich habe auch schon erlebt, dass ein Arzt, vor dessen Zimmer Leute seit einer Stunde warteten, ganz gemütlich irgendwohin spazierte und für eine halbe Stunde nicht mehr zu sehen war (kein Notfall). Aus diesem Grund habe ich sogar Visiten ausfallen lassen, weil ich es sonst gar nicht mehr rechtzeitig zur nächsten Anwendung (eine Stunde später) geschafft hätte, und vielen anderen ging es ebenso.
Natürlich hat man in der Klinik reichlich Zeit, aber die kann man auch anders verbringen als stundenlang gelangweilt im muffigen Flur zu sitzen.
Die Ärzte sind recht unterschiedlich, z.T. freundlich und
einigermassen bemüht, z.T. total desinteressiert. Letztere offenbar leider in der Mehrzahl (nach Gesprächen mit anderen Patienten hatte ich den Eindruck).
So manche alteingesessenen Ärzte scheinen das Ganze mehr als Massenabfertigung zu betreiben. Außerdem knausern sie genauso mit
ihrem Budget wie die meisten anderen Ärzte. Als ich akute Probleme abklären wollte, hieß es, ich solle das zu Hause
machen, das sei zu teuer, zu wenig Zeit und ginge nicht. Das passierte mir sogar zweimal, und ich fragte mich, wozu ich eigentlich in einer Reha-Klinik war, wo es eigentlich alle Diagnose-Möglichkeiten gibt, wenn dann die Abklärung einfach nicht stattfindet und man offenbar die Budget-Belastung den Hausärzten überlässt.
Echtes Interesse am Patienten und die ernsthafte Bemühung, ärztlich zu helfen, fand ich dort kaum.
Ich lernte einen Patienten kennen, der selbst Internist war und schon an anderen Reha-Kliniken gearbeitet hatte. Auch seiner Meinung nach ist die medizinische Betreuung hier nicht gut, und das
Angebot an Anwendungen nicht ausreichend.
Die Anwendungen werden vom Arzt verordnet. Nach der Anfangsuntersuchung nimmt der
Arzt das Therapieheft in die Hand und macht seine Kreuzchen bei den Anwendungen, die er für sinnvoll hält. Er fragte nicht, ob es Sachen gibt, die ich gerne machen würde oder die mich interessieren. So fand ich mich in einem Ernährungsvortrag wieder, der die
Ernährungsweisheiten von vor 20 Jahren wiedergab, die man auch in jeder Apothekenzeitschrift findet. Entsprechend langweilig wurde das Ganze auch vorgetragen, und das direkt nach dem Mittagessen; ich hatte ernsthaft Mühe, nicht einzuschlafen. Mein Tischnachbar hätte diesen Vortrag gerne besucht, fand sich aber im Vortrag "Stressbewältigung" wieder - was mich bei weitem mehr interessiert hätte, aber dafür war ich nicht eingeteilt.
Eine öffentlich einsehbare Auflistung, welche Angebote es gibt, existiert nicht.
Auch die mir verordneten, sehr wenigen Anwendungen waren in meinem Fall ja soweit ganz nett, aber einfach nicht auf meien spezielle Problematik zugeschnitten. Einzeltherapien werden nur ungern verordnet, wegen Personalmangel, auch wenn sie, wie in meinem Fall, absolut notwendig sind.
Man muss sich also selber auf die Hinterfüße stellen, am besten schon vor dem Aufnahmegespräch die Angebote durchsehen und sich überlegen, was man gerne machen möchte und was man braucht, und dies dann von Anfang an einfordern.
Besonders vielfältig sind die Angebote ohnehin nicht. Ich war vor Jahren schon einmal in einer anderen Kurklinik, weswegen ich einen Vergleich habe und sagen kann, dass das Angebot hier eher mager und nicht auf dem neuesten Stand ist. Was man natürlich medizinisch gesehen braucht, sollte dann schon der Arzt wissen - leider oft Fehlanzeige.
Alles in allem: Wenn man ein schönes Zimmer erwischt hat, kann man sich hier sicher ganz gut erholen und wird freundlich betreut.
Man darf aber nicht hoffen, hier ein großes Angebot, modernste Behandlungsmethoden oder wirklich individuell abgestimmte gute medizinische Betreuung zu bekommen.
Da für mich in einer Reha-Klinik die medizinische Betreuung und die Vielfältigkeit und Abstimmung der Therapien das Wichtigste sind, und es genau daran in dieser Klinik fehlt, würde ich beim nächsten Mal (das es hoffentlich nicht gibt) mit Sicherheit einen weiteren Weg in eine andere Klinik in Kauf nehmen.
Weitere Negativpunkte wie die mangelhafte
Organisation (lange Wartezeiten bei Ärzten und Schwestern), die sehr einseitige Altersstruktur der Patienten (ich vermute, dass die Herz-Abteilung die größte ist), das magere Freizeitangebot usw. kommen lediglich dazu.
Letztlich wurde ich hier 3 Wochen lang verpflegt und hatte keine Arbeit, und habe mich daher ganz nett erholt, ging aber mit gesundheitlichen Folgeproblemen nach Hause, bei denen mir (trotz der Möglichkeiten) nicht geholfen wurde.
2 Kommentare
Sehr geehrt(e) Ria 66,
es ist unser tägliches Ansinnen, dass es unseren Patienten nach einem Aufenthalt in unserer Klinik spürbar besser geht. Wir bedanken uns daher für das gegebene Feedback.
In den Jahren 2010 und 2011 haben wir umfangreiche Sanierungen durchgeführt und einen Großteil der Patientenzimmer sowie unsere patientennahen Bereiche renoviert.
Ein besonderes Augenmerk richten wir auf unser Qualitätsmanagement. Unsere zentrale Beschwerdestelle mit einer Sprechstunde von Montag bis Freitag ist Anlaufpunkt für unsere Patienten. Wir möchten so Kritikpunkten unserer Patienten so früh wie möglich entgegenwirken und diese kurzfristig beheben. Hierzu zählen auch eventuelle Unstimmigkeiten beim Ablauf der verordneten Maßnahmen im pflegerischen und therapeutischen Bereich.
In unserer hauseigenen Küche wird täglich frisch gekocht. Wir bieten unseren Patienten und deren Angehörigen eine große Auswahl Speisen mit regionalen Spezialitäten an. Unser speziell diätetisch geschultes Fachpersonal ist Ansprechpartner bei ernährungsbedingten Krankheiten und berücksichtigt Sonderkostanforderungen bei der Zusammenstellung der Speisepläne.
Gerne steht Ihnen unser Qualitätsbeauftragter auch im Nachhinein für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Team der Bayerwald-Klinik